Historie
Chronologie und Architektur
Wir sind überzeugt: Das Ufer des Griebnitzsee ist nicht irgendein Ufer. Seine besondere Geschichte ist eng verwoben mit Tragik und Glanz der deutschen Geschichte. Die Historie dieses Ufers erscheint wie eingebettet in eine traumhafte Landschaft. Dies alles verleiht ihm eine schützenswerte Würde.
1. Chronologie
Aus der Fülle der Ereignisse greifen wir nur einige heraus:
Auf dem Gelände der Maulbeerplantagen Friedrichs des Großen und angrenzend an die Parks der Preußischen Königssöhne führte ein Treidelpfad für das Führen der Schleppkähne das Seeufer entlang. Reste sind noch heute an einzelnen Stellen zu besichtigen. Lenné, der Entwickler der ineinander fließenden preußischen Gartenlandschaft mit ihren vielfältigen Blickachsen und Sichtbeziehungen, Schöpfer des angrenzenden Babelsberger Schlossparks und des gegenüberliegenden Glienicker Parks, bekannte, "jeder Abgrenzung Feind zu sein".
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts befand sich das v. Türksche Anwesen am Griebnitzsee. Der "preußische Pestalozzi" war ein Sozial- und Erziehungsreformer. Er wohnte hier und führte unweit des Griebnitzseeufers an der heutigen Virchowstraße eine große Meierei. Das von ihm gegründete Waisenhaus war in Klein-Glienicke ansässig.
Nach einer lokalen Ausnahmegenehmigung von 1832, auch Schwemmland am Flussufer als Baugrund zu genehmigen (vorher hatten Ufer frei von Bebauung und zugänglich zu sein) eröffnete sich den Grundstücksentwicklern v. Böckmann und Ende 1873 die Möglichkeit der Errichtung einer großzügigen Gartenstadt, der Villenkolonie Neubabelsberg Die Eröffnung der Potsdamer Eisenbahn mit Halt in Neubabelsberg sowie die Aussicht, einen Sommersitz an der Fahrtstrecke des Kaisers beziehen zu können, sollte die Ansiedlung beschleunigen. Doch diese Erwartungen erfüllten sich zunächst nur sehr zögerlich. Auf den meisten der großzügigen Parzellen wurden erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts die heutigen Landsitze erbaut.
Bereits 1911 änderten sich die politschen Prioritäten erneut: Beide Preußische Landtage beschlossen - mit Unterschrift Kaiser Wilhelm II.- im "Waldgesetz" Seeufer für die Allgemeine Öffentlichkeit frei zu halten.
Dieser Beschluß hat die Zeiten überdauert und fand Eingang in die Naturschutzgesetzgebung des Bundes und der Länder sowie in die Landesverfassungen.
Zu Beginn des 1. Weltkriegs war die überwiegende Mehrzahl der Seeuferparzellen bebaut. Nach 1933 mußten die jüdischen Bewohner ihre Villen verlassen, das Haus des jüdischen Bankiers von Goldschmidt wurde BDM-Hauptquartier und Goebbels, der "Bock von Babelsberg" trieb sein Unwesen. Hier war auch ein Zentrum des militärischen Widerstands gegen Hitler: Henning von Treckow wohnte bei seiner Schwester in der Arnim-Villa, heute Karl-Marx-Straße 25.
1945 erneut Tabula rasa: die Villenkolonie wurde freigeräumt für die Teilnehmer der Potsdamer Konferenz und ihre Delegationen. Am Seeufer wurden Truman, Churchill und Stalin untergebracht. Gegenstand des historischen Diskurses ist, ob hier, in der heutigen Karl-Marx-Straße 2 (jetzt Sitz der Friedrich-Naumann-Stiftung) der Befehl zum Abwurf der ersten Atombombe erteilt wurde. Nach Abreise der Alliierten Delegationen war die Sowjetische Militäradministration entlang des Seeufers untergebracht, sie wurde aber, aufgrund der unerwünschten Westnähe bereits 1952 verlagert. Noch heute zeugen einzelne kyrillische Inschriften in der Villenkolonie von dieser Zeit - insgesamt bleibt diese aber eine topographisch noch wenig dargestellte Terra incognita.
Später wurde hier die DDR-Akademie für Staat und Recht untergebracht, der dann diverse Grund- und Oberschulen, Kindertagesstätten, Horte und die Filmhochschule Babelsberg folgten.
1961 erfolgte mit dem Mauerbau die nächste große Zäsur, der Verbindungsweg zwischen den Seeufergrundstücken, eben noch Schulweg für viele Babelsberger Kinder, wurde zum Postenweg der DDR-Grenzer begradigt und die Mauer - zunächst als doppelter Stacheldrahtzaun - errichtet. Viele der Seeufervillen beherbergten nun Grenztruppen. Wachtürme und Hundelaufanlagen wurden errichtet, am Kontrollpunkt Griebnitzsee durchschnüffelten Hunde die Reisezüge und Grenzsoldaten und -kontrolleure stiegen zu oder aus.
1996 trat das Mauergrundstücksgesetz in Kraft, das den Kauf von Mauergrundstücken durch ehemalige Eigentümer oder ihre Rechtsnachfolger ermöglichte, soweit der Bund sie nicht im öffentlichen Interesse Dritter oder im dringenden eigenen Interesse anderweitig verwenden will. In mehreren Gemeinden rund um Berlin hat der Bund das öffentliche Interesse einer Gemeinde an den am See gelegenen Mauergrundstücken anerkannt. 1996 trat eine Nutzungsvereinbarung zwischen Bundesfinanzverwaltung und der Stadt Potsdam in Kraft, die die Erhaltung des Seeufers für die Öffentlichkeit vorsieht.
Der ehemalige Postenweg ist Teil des länderübergreifenden Projektes "Berliner Mauerweg", der mit Mitteln der EU und des Bundeswirtschaftsministeriums gefördert wird.
Im September 2004 wurde der Mauerweg in einer gemeinsamen Aktion von 6 (von 70) Seeanrainern aufgebrochen und verbarrikadiert und am gleichen Tag auf Weisung des Oberbürgermeisters der Stadt Potsdam wieder hergerichtet.
Monate später wurden zum Teil in nächtlichen Aktionen der Weg aufgerissen, zu gepflanzt und mit Zäunen gesichert.
Viele Nachbarn äußer(te)n verbal ihren Unmut:
2. Architektur
Das ca. 3 km lange Ufer des Griebnitzsees bietet von der Stubenrauchstr. bis zum Schlosspark Babelsberg eine Fülle von Villen mit historischer Bedeutung und von architekturgeschichtlichem Interesse.
Auf dem Gelände der Maulbeerplantagen Friedrichs des Großen und angrenzend an den Arkadientraum des Babelsberger und Glienicker Parks der Königssöhne entstand im 19.Jahrhundert eine Villenstadt am Griebnitzsee.
Die Villenstadtbewegung war im England des 19.Jh.entstanden, als Antwort auf das massierte Wohnen in den wachsenden Großstädten. So wollte Carsten, der Gründer dieser Gartenstadtbewegung, Berlin und Potsdam verbinden durch eine lockere Parklandschaft. Hierbei griff er Schinkels Gedanken vom "landschaftlichen Städtebau" auf.
Innteressant wurde das ehemals forstfiskalische Terrain bzw. die Maulbeerbaumplantagen für die Babelsberger Seidenproduktion durch die Vorliebe des 1.Dt.Kaisers für Schloss Babelsberg. So konnte "man" in der Nähe des Kaisers residieren, waren doch auch die Villen zunächst wie Schloss Babelberg (von Schinkel und Persius ) als Sommersitz geplant. 1871 wurde somit die Terraingesellschaft Neubabelsberg durch Böckmann und Ende gegründet. Nachdem das Gebiet durch den Halt der Wannseebahn ab 1862 bereits erschlossen war,kam 1874 der Dampferanleger hinzu. Die äußerst großzügigen Parzellen entstanden (seeseitig 40 x 90 m) und wurden mit Terrassen, Boots- und Teehäusern gestaltet. Die Handwerker bzw. Industriearbeiter Babelsbergs bekamen diese "Schokoladenseite" jedoch nicht zu sehen, gab es doch eine Bauauflage, straßenseitig preußisch-schlicht zu bauen. Greifen wir nun einige bedeutsame Villen heraus.
Ausgewählte bedeutende Bauten
Truman-Haus
Das heutige Truman-Haus (Naumann-Stifung , Karl Marxstr.2 ) wurde 1892 von Kayser und Großheim für den Verleger Müller-Grote als Villa Erlenkamp gebaut. Hier verkehrten Schriftsteller und Journalisen bis zur Weimarer Republik. Zur Zeiten der Potsdamer Konferenz residierte hier Harry S. Truman als Leiter der amerikanischen Kongregation, daher der Name "Little White House".Vermutlich traf er hier die Entscheidung zum Abwurf der Bombe auf Hiroshima.Ob er von hier aus jedoch den Abwurf der Hiroschima -Bombe am 6.8.1945 befehligte wird von Historikern bestritten, da er sich zu diesem Zeitpunkt schon auf der Überfahrt befunden haben soll.
Villa Urbig
Etwa 300m weiter erblicken wir die rosafarbene Villa Urbig (Virchowstr.23), Residenz von Winston Churchill während dieser Zeit. Sie ist Jugendwerk (1915-17) des weltberühmten letzten Leiter des Bauhauses , des Architekten Ludwig Mies van der Rohes, von dem wir hier noch zwei weitere Villen sehen können. In der sehr traditionellen fünfachsigen Gestaltung mit skulpturalen Travertin -Sopraporten fällt es schwer zu glauben, den Architekten der Neuen Nationalgalerie Berlin vor Augen zu haben.
(Noch zwei weitere Frühwerke des weltberühmten Architekten befinden sich in Neu-Babelsberg: Villa Riehl und Villa Mosler ).
Villa Saltzmann
Zwei Häuser weiter sehen wir eine Villa in gelbem Glindower Ziegel mit einer kleinen Orangerie im Garten. Dieses ist die Villa Saltzmann ( Virchowstr.27), in der der Marinemaler des Kaisers sein Atelier hatte. Er musste den Kaiser sogar auf seine Polarexpeditionen begleiten. Böckmann und Ende haben das Haus 1890 errichtet.
Landhaus L'Àrronge
Ca. 200m weiter sehen wir das Landhaus L` Àrronge oder spätere Villa Goldschmidt . Goldschmidt war jüdischer Bankier und musste sein Haus an den Bund deutscher Mädchen verkaufen, der darin dann seinen Sitz hatte (ab 1881 von Böckmann und Ende, 1922 von Breslauer und Salinger umgebaut).
Villa Herpich
Wieder ca .300m weiter neben einer kleinen öffentlichen Treppe finden wir die Villa Herpich, 1910-12 von dem Architekten zahlreicher Berliner U-Bahnhöfe (Wittenbergplatz) Alfred Grenander erbaut. Diese war Sitz von Joseph Stalin im Juli/ August 1945. Die großen "Drei" besuchten sich gegenseitig übrigens nur seeseitig mit Schiffen und benutzten eine eigens errichtete Ponton Brücke um zu Schloss Cecilienhof, dem Verhandlungsort zu gelangen.
Villa Mosler
Direkt hierneben finden wir noch eine Mies van der Rohe Villa, die Villa Mosler (1924-26). In dunkelrotem Klincker errichtet, nahezu gleichzeitig mit seinen radikal modernen Krefelder Villen, Haus Esters und Haus Lange mutet dieses Gebäude recht traditionell an. (Von hier sind es nur wenige Schritte zu Mies`Erstlingswerk, dem "Klösterle" in der Spitzweggase, 1907 für den Philosophen Alois Riehl errichtet.)
Auch die Villa, in der Brigitte Horney mit Erich Kästner wohnte (1921/222 von Hermann Muthesius gebaut) sowie die Richard Tauber Villa sind von hier aus nicht weit. Auf dieser Höhe des Ufers befanden sich auf gegenüberliegender Seite die Villen von Lilian Harvey und des letzten demokratisch gewählten Reichskanzler Schleicher, der hier von den Nazis zu Beginn der 30er Jahre ermordet wurde.